Klage auf Zulassung des Bürgerbegehrens
Die Klageschrift
Teil 1 Sachverhalt
Teil 2 Rechtliche
Würdigung
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Verwaltungsgericht Braunschweig
Am Wendentor 7
38100 Braunschweig
Berlin, 26. März 2004
Unser AZ: 4029 sdw / ads / mni
Sekretariat: Frau Mnich
Durchwahl: 0 30 - 39 92 50 - 22
4029-VG Braunschweig-Klage-040326
Klage
der Initiative Bürgerbegehren
Schlosspark,
vertr. d. Herrn Prof. Berthold Burkhardt, Frau Nicole Palm, Herrn Knut
Meyer-Degering,
Zeppelinstraße 7, 38106 Braunschweig,
Klägerin,
Prozessbevollmächtigte:
de Witt Müller-Wrede Rechtsanwälte,
Bernburger Straße 24-25, 10963 Berlin,
gegen
den Verwaltungsausschuss der Stadt
Braunschweig,
vertreten durch den Oberbürgermeister,
Langer Hof 1, 38100 Braunschweig,
Beklagten,
wegen Zulassung des Bürgerbegehrens Schlosspark Braunschweig.
Namens und in beglaubigter Vollmacht der Klägerin erheben wir
K l a
g e
und beantragen,
den Verwaltungsausschuss
der Stadt Braunschweig zu
verpflichten, das
Bürgerbegehren Schlosspark Braunschweig mit folgendem Gegenstand:
„Der überwiegende Teil des
Schlossgartens (Schlosspark) soll
dauerhaft im gegenwärtigen Bestand als Parkanlage und
Erholungsfläche für die Bürgerinnen und Bürger der
Stadt Braunschweig erhalten bleiben.“
zuzulassen.
Begründung
1. Sachverhalt
Die Klägerin begehrt die Verpflichtung des Beklagten, das von ihr
initiierte Bürgerbegehren zum Erhalt des Schlossparks in
Braunschweig zuzulassen. Die Klägerin ist eine
Bürgerinitiative, die sich für den dauerhaften Erhalt des
Schlossparks in Braunschweig in seinem gegenwärtigen Bestand als
Parkanlage und Erholungsfläche einsetzt.
Auslöser für die Gründung der Initiative waren die
Vereinbarungsverhandlungen der Stadt Braunschweig mit dem potentiellen
Investor, der ECE Projektmanagement GmbH & Co. KG, die hinter
verschlossenen Türen stattfanden. In diesen definierte der
Braunschweiger Oberbürgermeister das städtische
Zukunftsinteresse neu. Der Bereich des Schlossparks sei "durch ein
attraktives, in das Stadtbild eingepasstes innerstädtisches
Einkaufszentrum neu zu ordnen". Ohne Wissen der Bürgerinnen und
Bürger von Braunschweig wurde dieses neu erfundene städtische
Interesse zum Leitmotiv der sogenannten "Entwicklungsvereinbarung
zwischen Stadt Braunschweig und der ECE Projektmanagement GmbH &
Co. KG".
Die Stadt Braunschweig beabsichtigte, das in ihrem Eigentum stehende
ca. 34.000 qm große Schlosspark-Grundstück an die ECE
Projektmanagement GmbH & Co. KG zu veräußern.
1.1 Diese
Pläne der Stadt Braunschweig wurden
Geschäftsgrundlage des "Vorvertrages über die Grundzüge
der vertraglichen Regelungen für das Vorhaben ECE-Einkaufszentrum
Schlosspark" vom 24.06.2003.
Vorvertrag
vom 24.06.2003, Anlage
K 1
In § 3 Abs. 1 des Vorvertrages heißt es:
„Die Stadt überträgt ECE das Eigentum am
Schlosspark-Grundstück (ca. 25.000 m², entspricht Fläche
der geplanten Bebauung, Wert: 33,5 Mio. € zuzüglich 1,755 Mio. €
Einstellplatzablösung, insgesamt = 35,255 Mio. €). Die
Platzflächen auf dem Schlosspark-Grundstück bleiben im
Eigentum der Stadt und werden als öffentliche Flächen
gewidmet. Weitere Einzelheiten, wie z. B. Rücktrittsrechte und
aufschiebende Bedingungen, werden in dem noch zu verhandelnden
Grund-stückskaufvertrag geregelt.“
Der kaufpreisfreien Grundstücksübertragung durch die Stadt
werden Leistungen seitens ECE gegenübergestellt, die nicht
über das hinausgehen, was ein Bauherr bei einem
planungsbedürftigen Bauvorhaben dieser Art üblicherweise als
Folgekosten – so beispielsweise die Umgestaltung der öffentlichen
Verkehrsflächen - investieren muss. Das Unternehmen ECE
beabsichtigt, auf dem Schlossparkareal ein Center unter dem Namen
„Schlosspark-Arkaden“ mit einer Verkaufsfläche von 30.000 qm zu
bauen. Als einzige Gegenleistung für die Übertragung des
Schlosspark-Grundstücks mit einem geschätzten Wert von
mindestens 33,5 Mio. € verpflichtet sich ECE, das Einkaufszentrum im
Bereich des ehemaligen Standortes des Schlosses mit einer etwa 16 cm
dicken Fassadenattrappe in Gestalt des historischen Residenzschlosses
versehen zu lassen.
Vorvertrag
vom 24.06.2003, Anlage
K 1
Bauwelt, 1-2, 2004, S. 38ff.,
Anlage K 2
Das Land Niedersachsen hatte das Schlosspark-Areal mit Vertrag vom
23.03.1955 an die Stadt Braunschweig veräußert. Das Land
hatte der Stadt zur Finanzierung des vereinbarten Kaufpreises von
1.250.000,- DM seinerzeit eine Beihilfe in Höhe dieses Betrages
aus Haushaltsmitteln des Landes gewährt. Gemäß § 3
des Vertrages ist die Stadt berechtigt, anstelle der damals noch
existierenden Schlossruine ein anderes repräsentatives
Gebäude auf dem Grundstück zu errichten, wobei die bebaute
Fläche eine Größe von rund 11.000 qm nicht
überschreiten darf. Ein Verkauf des Grundstücks erfordert
nach § 5 des Vertrages die Zustimmung des Finanzministers des
Landes Niedersachsen.
Kaufvertrag vom 23.03.1955,
Anlage K 3
1.2. Die bekannt gewordenen Pläne der
Stadt, das
Schlosspark-Grundstück an ECE zu übertragen, damit dort ein
neues Einkaufszentrum errichtet wird, veranlasste die Klägerin
zur Einleitung eines Bürgerbegehrens. Mit Schreiben vom
23.06.2003, eingegangen per Telefax am selben Tag, zeigte die
Klägerin die Einleitung eines Bürgerbegehrens mit folgendem
Inhalt an:
“Der überwiegende Teil des Schlossgartens
(Schlosspark) soll
dauerhaft im gegenwärtigen Bestand als Parkanlage und
Erholungsfläche für die Bürgerinnen und Bürger der
Stadt Braunschweig erhalten bleiben.“
Zur Begründung des Begehrens wird im wesentlichen ausgeführt,
dass der Schlosspark als „Grüne Lunge“ an einer hoch
frequentierten Verkehrsachse im Stadtzentrum gesichert werden soll.
Hinsichtlich der Kosten wird darauf verwiesen, dass eine positive
Entscheidung im Sinne des Begehrens kostenneutral sei, da lediglich
der status quo erhalten werden solle. Als Vertreter des Begehrens
werden die im Rubrum Bezeichneten benannt.
Anzeige des Bürgerbegehrens
vom 23.06.2003, Anlage K 4,
Bürgerbegehren, Anlage K 5
1.3. Einen Tag nach der Anzeige des
Bürgerbegehrens, am 24.06.2003, hat die Stadt Braunschweig mit ECE
einen Vorvertrag über die Grundzüge der vertraglichen
Regelungen für das Vorhaben ECE-Einkaufszentrum Schlosspark
geschlossen. In dem Vorvertrag verpflichtet sich ECE, auf dem
Schlosspark-Grundstück eine bauliche Anlage zu errichten und diese
mindestens 10 Jahre als Einkaufszentrum zu betreiben und im Bereich
des ehemaligen Standortes eine Fassade in Gestalt der historischen
Schlossfassade anzubringen. Die Stadt verpflichtet sich ihrerseits,
das Eigentum am Schlosspark-Grundstück an ECE zu übertragen.
Der Vorvertrag soll gem. § 7 Abs. 2 erst Wirksamkeit erlangen,
wenn der Rat der Stadt seine Zustimmung zum
B-Plan-Aufstellungsbeschluss für das Projekt und zum Vorvertrag
erteilt hat.
Vorvertrag
vom 24.06.2003, Anlage
K 1
Mit Schreiben vom 03.07.2003 wies der Oberbürgermeister die
Klägerin darauf hin, dass das Bürgerbegehren gem. § 22
b Abs. 5 Satz 2 Niedersächsische Gemeindeordnung (NGO) mit den zur
Unterstützung erforderlichen Unterschriften binnen sechs Monaten,
beginnend mit dem Eingang der Anzeige, einzureichen sei. Nachdem das
Begehren am 23.06.2003 angezeigt worden sei, ende die Frist am
23.12.2003.
Schreiben des
Oberbürgermeisters vom 03.07.2003, Anlage K 6
In seiner Sitzung vom 08.07.2003 beschloss der Rat der Stadt mit einer
Stimme Mehrheit entsprechend der Beschlussvorlage vom 24.06.2003 die
Änderung des Flächennutzungsplans und die Aufstellung des
vorhabenbezogenen Bebauungsplans zur Errichtung eines Einkaufzentrums
auf dem Schlosspark-Grundstück. Die Beschlüsse wurden am
18.07.2003 bekannt gemacht.
Schreiben des
Oberbürgermeisters vom 28.01.2004, Anlage K 7
Das Land Niedersachsen und die Stadt Braunschweig
einigten sich mit notariellem Vertrag vom 22.12.2003, dass das Land
seine Rechte aus dem Schlossvertrag nicht mehr geltend macht und dem
Verkauf des Schlossparkareals durch die Stadt zustimmt. Grundlage des
Verzichts ist eine von der Stadt versprochene Kompensation durch eine
wertsteigernde Überplanung von bestimmten Landesliegenschaften.
Das Recht des Landes Niedersachsen ist nach Äußerungen des
Oberbürgermeisters inzwischen bereits im Grundbuch gelöscht.
Schreiben
des Niedersächsischen Finanzministeriums vom 13.02.2004,
Anlage K 8,
Presseerklärung des
Oberbürgermeisters vom 17.02.2004, Anlage K 9
1.4. Am
19.12.2003 reichte die Klägerin
insgesamt 31.524 Unterschriften ein, von denen der Beklagte 24.028
anerkannte. 7.497 Unterzeichner wurden wegen angeblich mangelnder
Bestätigung des Wahlrechts als ungültig erachtet.
Schreiben des
Oberbürgermeisters vom 28.01.2004, Anlage K 7
In seiner Sitzung vom 27.01.2004 wies der Beklagte das
Bürgerbegehren als unzulässig zurück. Mit Schreiben vom
28.01.2004 (Anlage K 8), zugegangen am 29.01.2004, informierte der
Oberbürgermeister die Klägerin hierüber. Zur
Begründung dieser Entscheidung wird ausgeführt, dass das
nach der Gemeindeordnung erforderliche Quorum zwar erreicht, das
Begehren aber auf einen unzulässigen Gegenstand gem. § 22 b
Abs. 3 S. 2 Nr. 6 NGO gerichtet sei. Das Begehren wende sich gegen die
bauplanungsrechtlichen Entscheidungen des Rates der Stadt. Für den
Bereich des Schlossparks seien bereits Beschlüsse zur
Änderung des Flächennutzungsplans und zur Aufstellung eines
Bebauungsplans zur Überplanung mit einem Einkaufszentrum gefasst
worden. Das Bürgerbegehren zum Erhalt des Parks widerspreche den
beabsichtigten Festsetzungen und verfolge die Verwirklichung
bauplanerischer Vorstellungen außerhalb des
Bebauungsplanverfahrens. Außerdem sei das Begehren als nunmehr
kassatorisches Bürgerbegehren gegen die am 18.07.2003 bekannt
gemachten Beschlüsse verfristet. Es sei erst nach Ablauf der in
§ 22 b Abs. 5 S. 3 NGO vorgesehenen Dreimonatsfrist eingereicht
worden. Im übrigen enthalte das Begehren keinen ausreichenden
Kostendeckungsvorschlag. Der Erhalt des Schlossparks sei nicht
kostenneutral. Bei Nichtrealisierung entstünden der Stadt
Braunschweig Kosten bzw. Einnahmeausfälle für
Erschließungs- und Straßenausbaumaßnahmen im Bereich
Bohlweg/Georg-Eckert-Straße durch ECE in Höhe von 11,45 Mio.
€, Verluste zusätzlicher Steuereinnahmen von jährlich ca.
650.000,00 €,- bei Erhalt des Schlossparks - Pflegekosten in Höhe
von jährlich ca. 120.000,00 € sowie Verluste von
Sondernutzungsgebühren bei Nichtrealisierung des Vorhabens.
Hinsichtlich der Vereinbarungen zwischen der Stadt Braunschweig und dem
Land Niedersachsen einerseits und den Vereinbarungen zwischen der Stadt
und ECE andererseits kann unser Vortrag derzeit nicht weiter vertieft
werden, da seitens der Stadt hierüber so gut wie keine
Informationen an die Öffentlichkeit weitergegeben werden. Auf
Grundlage unseres derzeitigen Kenntnisstandes dürfte die zwischen
Land und Stadt vereinbarte „Kompensationslösung“ nichtig sein, da
es sich um eine rechtlich unzulässige Planungsvereinbarung
handelt, die den Vorgaben des Baugesetzbuches eindeutig widerspricht.
Auch die Vereinbarungen zwischen Stadt und ECE begegnen erheblichen
rechtlichen Bedenken. Der Vorvertrag zwischen Stadt und ECE ist
bereits aus formalen Gründen wegen Nichteinhaltung der gesetzlich
vorgeschriebenen Form unwirksam. Der in dem Vorvertrag anvisierte
Grundstückskaufvertrag ist nach unserer Auffassung aus materiellen
Gründen nichtig. Die Überlassung des
Schlossparkgrundstücks nebst Einstellplatzfreistellung durch die
Stadt Braunschweig an ECE soll ohne angemessene Gegenleistung erfolgen
und stellt daher eine europarechtlich unzulässige Beihilfe dar.
Denn mit der kaufpreisfreien Grundstücksüberlassung wird ECE
von der Stadt Braunschweig ein geldwerter Vorteil in Höhe von 33,5
Mio. € gewährt, die ECE gegenüber anderen Unternehmen klar
begünstigt. Zu den näheren Einzelheiten sei auf das
Rechtsgutachten des Rechtsanwalts Große Hündfeld von
Rechtsanwälte Baumeister verwiesen.
Rechtliche
Stellungnahme von Rechtsanwalt Große Hündfeld,
Rechtsanwälte Baumeister, Anlage K 10
Zur Vertiefung unseres Sachvortrages und zur Wahrung eines effektiven
Rechtsschutzes beantragen wir schon jetzt, die
Verwaltungsvorgänge beizuziehen und uns Einsicht in die Akten zu
gewähren.
2. Rechtliche
Würdigung
2.1 Allgemeine
Leistungsklage
Die Klage auf Zulassung des Bürgerbegehrens ist als allgemeine
Leistungsklage zulässig. Mit einer allgemeinen Leistungsklage
kann grundsätzlich ein Handeln der Verwaltung verlangt werden,
das nicht im Erlass eines Verwaltungsaktes besteht oder davon
abhängt. Die statthafte Klageart richtet sich nach dem
klägerischen Begehren. Das klägerische Begehren ist hier auf
die Zulassung des Bürgerbegehrens und damit auf einen Realakt
gerichtet. Mit dem Antrag auf Einleitung des Bürgerbegehrens gem.
§ 22 b NGO ist zwischen den Beteiligten ein
kommunalverfassungsrechtliches
Rechtsverhältnis begründet
worden. Die Einordnung als Kommunalverfassungsstreit entspricht der
Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg, wonach eine
Bürgerinitiative insoweit eine nach § 22 b Abs. 1 NGO
organschaftliche Stellung innerhalb der Gesamtorganisation der
Gemeinde einnimmt, die sie berechtigt, eine Entscheidung über
eine Gemeindeangelegenheit herbeizuführen. Sie nimmt keine
personalen Individualrechte des Außenrechtsbereichs, sondern
eine innerorganschaftliche Zuständigkeit im Innenrechtskreis
wahr.
OVG Lüneburg, 10 M 5396/97, B. v. 08.12.1997, NdsVBl
1998, 96; OVG
Lüneburg, 10 M 1723/98, B. v. 27.05.1998, NdsVBl 1998, 240; so
auch OVG Bautzen, B. v. 06.02.1996, NVwZ-RR 1997, 241; OVG Koblenz, U.
v. 06.02.1996, NVwZ-RR 1997, 241
Die Klägerin hat in Bezug auf das von ihr vertretene Sachanliegen
eine Rechtsstellung im kommunalrechtlichen Innenrechtsverhältnis.
Mangels Außenwirkung ist die Entscheidung des Beklagten, das
Bürgerbegehren nicht zuzulassen, kein Verwaltungsakt. Eine
Verpflichtungsklage auf Zulassung des Bürgerbegehrens ist als
statthafte Klageart daher ausgeschlossen.
Die Klägerin ist entsprechend § 61 Nr. 2 VwGO
fähig, am verwaltungsgerichtlichen Verfahren beteiligt zu sein.
Die Beteiligungsfähigkeit folgt aus der Beurteilung der
Bürgerinitiative – die Unterzeichner in ihrer Gesamtheit – als
kommunalrechtliches Quasi-Organ.
Vgl. OVG Lüneburg, 10 M 5396/97, E. v. 08.12.1997,
NdsVBl. 1998,
96; Fischer, DÖV 1996, 181 (185); Schliesky, DVBl. 1998, 169
(170); Meyer, NVwZ 2003, 183 (184)
Terminologisch wird für die Beteiligte der Begriff
Bürgerinitiative anstelle des Bürgerbegehrens verwendet, da
das Bürgerbegehren selbst den Gegenstand bzw. das Ziel meint,
für das sich die Gesamtheit der Unterzeichner einsetzt.
Vgl. VGH Kassel, NVwZ 1997, 310
In ihrer gemeindlichen Quasi-Organstellung kann der Klägerin gem.
§ 61 Nr. 2 VwGO in Bezug auf das von ihr verfolgte Sachanliegen
ein Recht auf Zulassung des Bürgerbegehrens zustehen.
Die Rechte der Klägerin werden gem. § 62 Abs. 3 VwGO durch
ihre nach § 22 b Abs. 4 S. 3 NGO benannten Vertreter wahrgenommen.
Die im Bürgerbegehren benannten Vertreter nehmen die Rechte der
Unterzeich-ner als Prozessvertreter wahr und sind insoweit zur Vornahme
aller Verfahrenshandlungen einschließlich der Bestellung von
Prozessbevollmächtigten berechtigt.
Vgl. OVG Lüneburg, 10 M 986/00, B. v. 24.03.2000,
NdsVBl. 2000,
195; OVG Koblenz, NVwZ-RR 1997, 241
Sollte das Gericht der Auffassung zur Beteiligungsfähigkeit der
Bürgerinitiative nicht folgen, sind jedenfalls deren Vertreter
selbst als Kläger beteiligungsfähig gem. § 61 Nr. 1
VwGO. Denn § 22 b Abs. 4 S. 3 NGO weist ihnen eine eigene
Rechtsposition zu, aufgrund derer sie die Interessen der Unterzeichner
des Begehrens im materiellen Sinne vertreten können.
Vgl. hierzu OVG Münster,
NVwZ-RR 2003, 448
Der Beklagte ist als gemeindliches Kollegialorgan gem. § 56 NGO
nach § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähig und wird durch den
Oberbürgermeister gem. § 62 Abs. 3 VwGO vertreten.
Die Klägerin ist analog § 42 Abs. 2 VwGO auch klagebefugt.
Auch bei Streitigkeiten im Innenverhältnis ist die Klage nur
zulässig, wenn der Kläger geltend machen kann, in eigenen
Rechten verletzt zu sein. Als solches Recht kommt hier der Anspruch
auf Zulassung des Bürgerbegehrens gem. § 22 b Abs. 1 NGO in
Betracht. Aufgrund der Zurückweisung des Begehrens durch den
Beklagten kann die Klägerin geltend machen, in ihrem Recht, eine
Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger über eine
Angelegenheit der Gemeinde zu beantragen, verletzt zu sein.
2.2 Anspruch auf
Zulassung des Bürgerbegehrens
gem. § 22 b NGO
Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch
auf Zulassung des Bürgerbegehrens gem. § 22 b NGO. Die
Entscheidung des Beklagten, das Bürgerbegehren als
unzulässig zurückzuweisen, ist rechtswidrig und verletzt die
Klägerin in ihren Rechten. Die Voraussetzungen für die
Zulassung eines Bürgerbegehrens, die nicht im Ermessen der
Beklagten steht, sondern bei Vorliegen der Voraussetzungen einen
Anspruch begründet, lagen bei Eingang des Bürgerbegehrens am
19.12.2003 gem. § 22 b Abs. 6 S. 1 NGO vor. Die Zulässigkeit
eines Bürgerbegehrens beurteilt sich nach § 22 b NGO. Die
einzelnen Voraussetzungen für die Zulassung eines
Bürgerbegehrens folgen aus § 22 b Abs. 2 bis 5 NGO.
2.2.1 Quorum gem.
§ 22 b Abs. 2 NGO
Zunächst ist das nach § 22 b Abs. 2 S. 1, 3. Halbsatz NGO
erforderliche Quorum erreicht worden. Das Bürgerbegehren wurde von
mindestens 24.028 wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürgern
der Stadt Braunschweig unterzeichnet. Die Unterschriften entsprechen
den Anforderungen des § 22 b Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 22 Abs. 3
NGO.
2.2.2
Zulässiger Gegenstand gem. § 22 b
Abs. 3 NGO
Das Bürgerbegehren bezieht sich auch auf einen zulässigen
Gegenstand gem. § 22 b Abs. 3 S. 1 NGO. Entgegen der Auffassung
des Beklagten ist das Begehren der Klägerin nicht auf die
Aufhebung der bauplanerischen Entscheidungen des Rates, sondern auf
den Erhalt des Schlossparks als gemeindlichem Bauwerk gerichtet.
Dieses Ergebnis folgt aus der Auslegung des Begehrens.
Mit einem Bürgerbegehren kann beantragt werden, dass die
Bürgerinnen und Bürger einer Gemeinde über eine
Angelegenheit der Gemeinde entscheiden, § 22 b Abs. 1 NGO. In
§ 22 Abs. 3 NGO wird dies näher konkretisiert. Danach
können Gegenstand eines Bürgerbegehrens nur Angelegenheiten
des eigenen Wirkungskreises sein, für die der Rat gem. § 40
Abs. 1 NGO zuständig ist oder sich gem. § 40 Abs. 2 NGO die
Beschlussfassung vorbehalten hat und zu denen nicht innerhalb der
letzten zwei Jahre ein Bürgerentscheid durchgeführt worden
ist. Eingeschränkt wird der Gegenstand des Begehrens durch den
Negativkatalog des § 22 b Abs. 3 S. 2 NGO, der Bürgerbegehren
zu bestimmten Sachthemen für unzulässig erklärt. Hierzu
gehören gem. § 22 b Abs. 3 S. 2 Nr. 6 NGO u.a. die
Aufstellung oder Änderung von Bauleitplänen nach dem BauGB.
Sinn und Zweck des Ausschlusses bestehen darin, zu solchen
Angelegenheiten keinen Bürgerentscheid durchzuführen, die
einen häufig vielschichtigen Abwägungsprozess voraussetzen
und sich daher nicht auf eine mit Ja oder Nein zu beantwortende Frage
reduzieren lassen. Eine gegen die Beschlüsse des Rates der Stadt
zur Änderung des Flächennutzungsplanes und zur Aufstellung
des vorhabenbezogenen Bebauungsplans der Stadt gerichtetes Begehren
wäre danach unzulässig. Die insofern zutreffende Auffassung
des Beklagten, der hierbei auf ein Rechtsgutachten von Prof.
Finkelnburg rekuriert, ist jedoch für das vorliegende Begehren
nicht einschlägig.
Dies folgt aus der Formulierung des Begehrens. Das Ziel eines
Bürgerbegehrens muss hinreichend klar und deutlich zum Ausdruck
kommen. Hierfür genügt es, dass sich der Inhalt der zur
Abstimmung gestellten Entscheidung aus der Sicht der Unterzeichner mit
hinreichender Eindeutigkeit und unter Zuhilfenahme der allgemeinen
Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB aus dem Begehren
einschließlich der Begründung ergibt.
VG Hannover, U. v. 23.02.2000, Az. 3488/99, NdsVBl. 2001,
101; OVG
Greifswald, NVwZ-RR 1997, 306 (307)
Danach richtet sich das Bürgerbegehren schon nach seinem
eindeutigen Wortlaut nicht gegen die bauplanerischen Beschlüsse,
das Schlosspark-Gelände mit einem Einkaufszentrum zu
überplanen. Vielmehr wird die Frage zur Abstimmung gestellt, ob
der Schlosspark als Parkanlage und damit als Bauwerk dauerhaft erhalten
bleiben soll.
Der Begriff eines Bauwerks folgt aus der Definition der baulichen
Anlage im Sinne des BauGB. Der Schlosspark ist als bauliche Anlage im
Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB zu beurteilen. Der Begriff der Anlage
besagt, dass es sich um eine künstliche, d.h. von Menschenhand
angelegte Einrichtung handeln muss. Baulich ist eine solche
Einrichtung, wenn sie bodenrechtliche Relevanz aufweist, d.h.
Gegenstand einer Bauplanung sein kann.
Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Band 2, §
29 BauGB Rn.
24
Beide Voraussetzungen liegen hier vor. Der Schlosspark wurde seinerzeit
künstlich angelegt und weist als Grünanlage im
innerstädtischen Bereich bodenrechtliche Relevanz auf.
Der Erhalt eines gemeindlichen Bauwerks ist aber als Angelegenheit der
Gemeinde ein zulässiger Gegenstand eines Bürgerbegehrens.
Vorliegend handelt es sich sogar um eine bedeutende Angelegenheit der
Gemeinde, da es bei dem Erhalt des Bauwerks auch um die Erhaltung des
öffentlichen Raums geht, der privaten Investoren geopfert werden
soll. Dass der Erhalt eines Bauwerks nicht ausdrücklich im
Zuständigkeitskatalog des § 40 Abs. 1 NGO erwähnt ist,
ist unschädlich. Denn der Verweis auf § 40 Abs. 1 NGO dient
allein dazu, den Gegenstand des Bürgerbegehrens auf die
Gegenstände zu beschränken, die im Verhältnis zu
anderen Gemeindeorganen in der Kompetenz des Rates liegen. Der Sinn
dieser Beschränkung erschließt sich aus der Regelung des
§ 22 b Abs. 11 NGO. Das Bürgerbegehren hat gem. § 22 b
Abs. 11 NGO die Wirkung eines Ratsbeschlusses und kann daher nur
Gegenstände betreffen, die in der Kompetenz des Rates liegen. Die
Entscheidung über den Erhalt eines Bauwerkes liegt aber ohne
weiteres in der Kompetenz des Rates der Stadt.
Vor diesem Hintergrund ist die Formulierung des Begehrens schon nach
seinem eindeutigen Wortlaut auf den Erhalt des Schlossparks als
Parkanlage und Erholungsfläche gerichtet. Weder der Wortlaut noch
die Begründung des Begehrens bieten Anhaltspunkte dafür,
dass sich das Begehren vom Standpunkt eines Unterzeichners als gegen
die bauplanerischen Beschlüsse der Stadt gerichtet interpretieren
lässt. Zwar mag der Erhalt des Schlossparks tatsächliche
Konsequenzen für die bauplanerischen Vorstellungen des Rates
haben. Das Begehren allein aus diesem Grund als gegen diese
Planungsbeschlüsse gerichtet anzusehen, ist jedoch
unzulässig, da dies zu einer erheblichen Ausweitung des
Anwendungsbereichs des § 22 b Abs. 3 S. 2 Nr. 3 NGO führen
würde. Die Frage der tatsächlichen
Verwendung eines
gemeindlichen Grundstücks ist von der Überplanung
eines
Grundstücks durch den Rat zu trennen.
Eine andere Beurteilung folgt auch nicht aus der Entscheidung des
Verwaltungsgerichts Köln, wonach ein auf die Verhinderung der in
einem Bebauungsplan zum Ausdruck kommenden bauplanerischen
Vorstellungen der Gemeinde gerichtetes und diesen Festsetzungen
widersprechendes Bürgerbegehren auch dann unzulässig ist,
wenn die Verhinderung nicht das einzige Ziel und der Bebauungsplan im
Bürgerbegehren nicht erwähnt wird.
VG Köln, U. v. 3.9.1999,
Az.: 4 K 2849/97,
juris, NWVBl 2000, 269
Zunächst bezieht sich das Bürgerbegehren anders als in dem
von dem Verwaltungsgericht Köln zu beurteilenden Sachverhalt nicht
gegen einen bestimmten Ratsbeschluss zur Einleitung eines
Bebauungsplanverfahrens und dessen Korrektur. Denn der Antrag auf
Zulassung des Bürgerbegehrens lag zeitlich vor dem
Aufstellungsbeschluss des Stadtrates am 24.06.2003. Ein offener
Widerspruch zwischen Aufstellungsbeschluss und dem Bürgerbegehren
konnte gar nicht entstehen, da zum Zeitpunkt des Antrags auf Zulassung
des Bürgerbegehrens noch kein Aufstellungsbeschluss gefasst war.
Hintergrund der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln ist die
Vermeidung divergierender Entscheidungen zwischen dem Gemeinderat und
den Vertretern des Bürgerbegehrens zu bauplanungsrechtlichen
Entscheidungen, die durch die Exklusivität des Bauleitverfahrens
nach dem Baugesetzbuch ausgeschlossen ist. Würde der Bebauungsplan
beschlossen und hätte das Bürgerbegehren Erfolg, so
müsste die Gemeinde - mindestens befristet (§ 22 b Abs. 11
NGO) - allen Bestrebungen entgegenwirken, die der Realisierung dieses
Einkaufszentrums dienen.
Die Gemeinde als Eigentümerin wäre also gehindert, dass
Grundstück zum Zweck der Bebauung zu veräußern oder den
Park zu beseitigen. Das hindert die Gemeinde der Planungsträgerin
nicht, einen Bebauungsplan zu beschließen. Die Gültigkeit
des Bebauungsplans ist nicht davon abhängig, dass ECE
Eigentümerin des Baugrundstücks wird.
Der Ausschluss eines Bürgerbegehrens bei bauplanerischen
Entscheidungen geht nicht soweit, jedes Bürgerbegehren, das durch
seine Zielsetzung mittelbar den planerischen Absichten des
Gemeinderates widerspricht, als unzulässig zu erachten. Zur
Reichweite eines Negativkatalogs, der u.a. Begehren in Bezug auf
Maßnahmen der Bauaufsichtsbehörde für unzulässig
erklärt, führt der VGH Kassel hinsichtlich eines
Bürgerbegehrens zum Erhalt von Festungsmauern, die einer
Tiefgarage weichen sollten, aus:
„Träfe die Ansicht zu, dass alle interkommunalen
Willensentschließungen, zu deren Umsetzung auch baurechtliche
Maßnahmen in Betracht kommen können, unzulässig
wären, würde das Bürgerbgehren derart weitgehend
eingeschränkt, dass ein großer Teil der wichtigen
Angelegenheiten, die eine Gemeinde betreffen, nämlich alle Bauten
betreffende Fragen, wie etwa auch die Errichtung von
Bürgerhäusern – die die Erteilung von Baugenehmigungen
voraussetzen – nicht mehr Gegenstand eines Bürgerbgehrens sein
könnten, was erkennbar nicht dem Sinn des § 8 b HessGO
entspricht.“ (VGH Kassel, NVwZ 1996, 722)
Ähnlich argumentiert das Oberverwaltungsgericht Greifswald in
einer Entscheidung zur Zulassung eines Bürgerbegehrens zum Bau
einer Tiefgarage durch einen privaten Investor. Zur Zulässigkeit
dieses Begehrens heißt es:
„Sinn und Zweck dieses Ausschlusses (§ 20 Abs. 3 Nr. 3
MVKommVerf.
a.F., mittlerweile ist das Bauleitverfahren in den Negativkatalog des
§ 20 Abs. 3 Nr. 4 KommVerf. aufgenommen worden, Anm. d. Verf.)
liegt darin, über solche Angelegenheiten kein Bürgerbegehren
durchzuführen, weil vielschichtige Abwägungsprozesse
vorzunehmen sind, die nicht, wie für einen Bürgerentscheid
und -begehren erforderlich, auf einen mit Ja oder Nein zu
beantwortende Frage reduziert werden können. ... Selbst wenn das
Bauleitverfahren ebenfalls unter diese Ausschlußnorm fallen
würde, hindert dies nicht, die Absicht des allgemeinen
Förderns des Projekts zum Gegenstand eines Bürgerbegehrens
zu machen. Denn zum einen werden neben der Einleitung eines
Bauleitplansverfahrens Vorplanungen und Begleitplanungen
durchgeführt, in denen über das Ob und Wie eines solchen
Projekts entschieden wird. Zum anderen betrifft der genannte
Abwägungsprozeß im wesentlichen städtebauliche
Gesichtspunkte (vgl. § 1 V, VI BauGB), wobei die weiteren, etwa
infrastrukturellen oder wirtschaftspolitischen Belange allenfalls im
Rahmen der städtebaulichen Abwägung Bedeutung gewinnen, nicht
aber Gegenstand der eigentlichen Entscheidung sind. Gleiche
Erwägungen gelten für die Frage der Veräußerung
von Grundeigentum der Gemeinde, wenn es darum geht, im Vorfeld die
Grundsatzentscheidung im Zusammenhang mit einem Projekt zu treffen,
für dessen Realisierung weitere Erwägungen erforderlich
sind.“ (OVG Greifswald, NVwZ 1997, 306 (308))
Würde der Ausschlusstatbestand des § 22 b Abs. 3 S. 2 Nr. 6
NGO auf alle die Errichtung oder den Erhalt von Bauten betreffenden
Fragen ausgedehnt, würde ein großer Teil der wichtigen
Angelegenheiten der Gemeinde von vorneherein einem Bürgerbegehren
entzogen. Alle Baulichkeiten, die in einen Bebauungsplan einbezogen
werden können oder werden, wären dann als zulässiger
Inhalt eines Bürgerbegehrens automatisch ausgeschlossen. Eine
solche restriktive Interpretation ist mit der gesetzgeberischen
Entscheidung, die Bürgerinnen und Bürger durch
Bürgerbegehren und Bürgerentscheid unmittelbar am
demokratischen Willensbildungsprozess zu beteiligen, unvereinbar. In
der kommunalrechtlichen Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte
wird die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens zur Errichtung,
dem Abriss oder dem Erhalt von Bauten daher als zulässig
zugrundegelegt. Nur diese Auslegung ermöglicht die vom Gesetzgeber
gewollte demokratische Partizipation der Bürger.
VGH Kassel, NVwZ 1996, 722 (724) mwN; OVG Greifswald, NVwZ
1997, 306
(308)
Auch die Tatsache, dass sich das Begehren zum Erhalt des Schlossparks
zwangsläufig gegen seine Veräußerung zum Zwecke der
Errichtung eines Einkaufszentrums richtet, steht der Zulässigkeit
des Begehrens nicht entgegen. Bürgerbegehren für oder gegen
die Verfügung über Gemeindevermögen, insbesondere die
Veräußerung von Grundstücken sind gem. § 22 b Abs.
3 S. 1 i.V.m. § 40 Abs. 1 Nr. 11 NGO zulässig.
Vgl. hierzu OVG Lüneburg, 10 L 1946/99, B. v.
22.10.1999, NdsVBl.
2000, 31
2.2.3 Formelle
Voraussetzungen gem. § 22 b Abs.
4 NGO
Das Bürgerbegehren erfüllt auch die formellen Voraussetzungen
des § 22 b Abs. 4 NGO.
Auch wenn das Begehren hier nicht in Form einer Frage formuliert wurde,
ist dies unschädlich, da eine intendierte Fragestellung
genügt.
Vgl. Schumacher, in: Kommunalverfassungsrecht Brandenburg,
Band 1,
§ 20 GO, 6.4.
Hinter der Formulierung des Begehrens verbirgt sich die Frage, ob der
Schlosspark in seinem gegenwärtigen Bestand dauerhaft erhalten
bleiben soll. Diese Frage lässt sich, wie in § 22 b Abs. 4
Satz 1 NGO gefordert, ohne weiteres mit Ja oder Nein beantworten. Das
Bürgerbegehren ist gem. § 22 b Abs. 4 S. 2 NGO schriftlich
eingereicht worden. Es enthält die von § 22 b Abs. 4 S. 2 NGO
geforderte Begründung.
Auch der Vorschlag zur Deckung der mit der Ausführung der
Entscheidung verbundenen Kosten oder Einnahmeausfälle gem. §
22 b Abs. 4 S. 2 NGO ist ausreichend. Dass sich der
Kostendeckungsvorschlag des Begehrens auf den Hinweis der
Kostenneutralität beschränkt, genügt. Denn eines
Deckungsvorschlags bedarf es nicht, wenn die Ausführung der zur
Abstimmung gestellten Sachentscheidung keine Kosten verursacht oder
offensichtlich die günstigere zu einem von der Gemeinde
beschlossenen Vorhaben darstellt.
VG Hannover, U. v. 23.02.2000, Az. 1 A 3488/99, NdsVBl.
2001, 101; OVG
Lüneburg, 10 M 986/00, B. v. 24.03.2000, NdsVBl. 2000, 195; vgl.
auch OVG Lüneburg, 10 ME 82/03, B. v. 11.08.2003, NordÖR
2003, 405
Da das Begehren auf die Erhaltung des status quo gerichtet ist,
entstehen durch die Ausführung der Entscheidung zum Erhalt des
Schlossparks gerade keine Kosten, die allein mit der Ausführung
der begehrten Maßnahme, also dem bloßen Erhalt des Parks
im Zusammenhang entstehen.
So hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im Falle eines
Bürgerbegehrens gegen die Veräußerung eines
gemeindlichen Grundstücks entschieden, dass ein Vorschlag zur
Deckung der Kosten entbehrlich sei. Denn durch die Ablehnung des
Verkaufs des fraglichen Grundstücks würden keine Kosten
entstehen.
VGH Baden-Württemberg, U. v. 06.04.1992, 1 S 3142/91,
DÖV
1992, 839
Bei Begehren gegen die Errichtung von Bauten oder Einrichtungen
können Kosten allenfalls dann entstehen, wenn die Gemeinde
bereits vertragliche Verpflichtungen beispielsweise mit der Abrede
einer Vertragsstrafe eingegangen ist. In der Regel werden durch
Begehren, die auf Erhalt des status quo gerichtet sind, Kosten
erspart.
Vgl. Schumacher, in: Kommunalverfassungsrecht Brandenburg,
Band 1,
§ 20 GO, 5.2.
Unter diesem Gesichtspunkt ist zu berücksichtigen, dass das
Unternehmen ECE das Schlosspark-Grundstück kaufpreisfrei erhalten
soll. Der Stadt Braunschweig bleibt bei einem positiven
Bürgerentscheid unter Zugrundelegung des geschätzten Wertes
des Grundstücks ein Verlust von 35,5 Mio. € erspart. Im Gegensatz
zu den Plänen des Rates widerspricht das Bürgerbegehren den
Grundsätzen des gemeindlichen Haushaltsrechts und der
Wirtschaftlichkeit nicht. Demgegenüber sind die
Einnahmeausfälle, auf die der Beklagte hinweist, im Rahmen des
Kostendeckungsvorschlags nicht zu berücksichtigen. Denn bei einem
Bürgerbegehren, dass sich für den Erhalt eines Bauwerks
einsetzt, kann es keine Rolle spielen, welche alternativen und u. U.
profitableren Nutzungen sich der Rat der Gemeinde für das bebaute
Grundstück vorstellt. Denn im Falle eines erfolgreichen
Bürgerentscheids tritt der in ihm artikulierte Bürgerwille
gerade an die Stelle eines Ratsbeschlusses. Andernfalls könnte ein
Bürgerbegehren, das für den Erhalt eines Bauwerks eintritt,
immer dann an der Frage der Kostendeckung scheitern, wenn der
Gemeinderat für das betreffende Grundstück besonders
finanzkräftige Nutzungsmöglichkeiten wählt, die einen
Abriss der baulichen Anlage erforderlich machen.
2.2.4
Einreichungsfrist gem. § 22 b Abs. 5 S. 2
NGO
Das Bürgerbegehren ist auch nicht deshalb unzulässig, weil es
mit den zur Unterstützung erforderlichen Unterschriften erst am
19.12.2003 eingereicht wurde. Entgegen der Auffassung des Beklagten
ist nicht die Dreimonatsfrist des § 22 b Abs. 5 S. 3 NGO, sondern
die Sechsmonatsfrist des § 22 b Abs. 5 S. 2 NGO maßgebend.
Da sich das vorliegende Bürgerbegehren gerade nicht gegen die
bauplanerischen Entscheidungen des Rates und im übrigen auch
gegen keine andere Entscheidung des Rates bezüglich des
Schlossparks richtet, liegt entgegen der Auffassung des Beklagten kein
kassatorisches Begehren vor. Die besondere Frist des § 22 b Abs. 5
S. 3 NGO ist daher nicht einschlägig und wäre es im
übrigen auch unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung der
Beklagten nicht. Denn kassatorische, d.h. auf die Aufhebung von
Ratsbeschlüssen gerichtete Bürgerbegehren, setzen einen nach
§ 22 b Abs. 3 S. 1 NGO zulässigen Gegenstand voraus.
Gemäß § 22 b Abs. 3 S. 2 Nr. 6 NGO sind
Bürgerbegehren gegen die Aufstellung oder Änderung von
Bauleitplänen unzulässig. Da ein Bürgerbegehren, das
sich auf einen Gegenstand des Negativkatalogs in § 22 b Abs. 3 S.
2 NGO richtet, bereits unstatthaft ist, stellt sich die Frage der
Fristeinhaltung gem. § 22 Abs. 5 S. 3 NGO in diesen Fällen
nicht.
Für die Einreichung des Bürgerbegehrens gilt vorliegend gem.
§ 22 b Abs. 5 S. 2 NGO eine Frist von sechs Monaten, beginnend mit
dem Eingang der Anzeige des Bürgerbegehrens. Die Anzeige des
Bürgerbegehrens ist am 23.06.2003 bei der Beklagten eingegangen.
Die Frist endete am 23.12.2003. Das Bürgerbegehren wurde damit am
19.12.2003 fristgerecht eingereicht.
Im Ergebnis hat die Klägerin einen Anspruch auf Zulassung ihres
Bürgerbegehrens aus § 22 b NGO. Die Entscheidung des
Beklagten, das Begehren als unzulässig zurückzuweisen, ist
rechtswidrig. Der Beklagte ist daher zu verpflichten, das
Bürgerbegehren zuzulassen und den Weg für einen
Bürgerentscheid über die Frage des Erhalts des Schlossparks
freizumachen.
Eine einfache und beglaubigte Abschrift fügen wir bei.
de Witt
Rechtsanwalt
http://www.schlosspark-braunschweig.de