Bürgerinitiativen beziehen Stellung gegen vorhabenbezogenen Bebauungsplan für das ECE-Projekt „Schloss-Arkaden“ in Braunschweig
Pressemitteilung vom 08.05.2004

Die Innenstadtinitiative und das Bürgerbegehren Schlosspark Braunschweig rügen Verfahrensmangel --
Offen gelegter  Planentwurf gibt keine Antwort auf die zentralen Fragen: „Wofür soll der Schlosspark eigentlich geopfert werden?“ und „Erhält die künftige Kulturhauptstadt Europas vielleicht doch hinter nachgeahmten Schlossfassaden eine Einkaufsmall mit profanen Verkaufsräumen?“ --
Abwägungsreifer Bebauungsplan für Ratsentscheidung am 29.06. nicht in Sicht


Mit der Feststellung, die Bürger von Braunschweig hätten sich nur unzureichend darüber informieren können, wofür letztlich die grüne Lunge der Innenstadt von Braunschweig geopfert und die vielfältigen Nachteile in Kauf genommen werden sollen, haben die Bürgerinitiativen in einem Schreiben vom 3. Mai 2004 an Oberbürgermeister Dr. Hoffmann und die Stadtverwaltung ausdrücklich einen Verfahrensmangel gerügt. In einem 32-Seiten starken Text kritisiert ihr Anwalt, der Mitglieder dieser Initiativen – Braunschweiger Bürger und Handelsunternehmen – vertritt, den bisherigen Ablauf des Bebauungsplanverfahrens.

Rechtsanwalt Norbert Große Hündfeld aus Münster erhebt schwere Vorwürfe, namentlich gegen das Verwaltungshandeln des Oberbürgermeisters. Dieser habe legitime Bemühungen verantwortungsbereiter Bürger, sich am Planungsprozess zu beteiligen, behindert und – selbst seit langem völlig festgelegt – andersdenkende und argumentierende Bürger zu Gegnern abgestempelt.

In der Zeit der Offenlegung hätte den Bürgern die Möglichkeit gegeben werden müssen, sich über einen zwischen ECE und der Stadt Braunschweig abgestimmten Vorhabenplan alle die Informationen zu beschaffen, die sie für ihre Urteilsbildung benötigten.

Ein Aspekt, der in allen Debatten immer wieder allseitige Besorgnis hervorgerufen habe, betreffe die wichtige Frage, welcher Funktion der vorgelagerte „Rekonstruktionsbau“ dienen solle. Gerade diejenigen, deren „hochkarätiges“ Votum der Oberbürgermeister und Stadtbaurat Zwafelink bei jeder Gelegenheit den Bürgern vor Augen gehalten hätten, hätten stets nachdrücklich eine klare Funktionstrennung angemahnt und zwar zwischen dem modernen, kommerziell zu nutzenden Raum und der kulturellen Sondernutzung im rekonstruierten Schlossbau. Genau dies habe noch vor kurzer Zeit die CDU-FDP-Mehrheit im Rat nachdrücklich gefordert, u.a. um einer „dringenden Empfehlung der Jury des Architekten-Wettbewerbs“ entsprechen zu können.

Wer nunmehr bereit sei, eine Einkaufsmall mit profanen Verkaufsräumen im Schloss als „Kröte“ zu schlucken und neben und oberhalb dieser Verkaufsflächen – zu heute noch völlig ungeklärten Bedingungen! – „Schlossräume“ für kulturelle Nutzungen anzumieten, gefährde den Ruf der Stadt Braunschweig.

Seine Mandanten – so Rechtsanwalt Norbert Große Hündfeld – befüchteten mehrheitlich, dass der Rat die dringende Empfehlung der Wettbewerbsjury und anderer in den Wind schlagen wird und eine Mehrheit der Ratsmitglieder tatsächlich damit werde leben können, dass sich die Bewerbungsschrift für die Bestimmung Braunschweigs zur Kulturhauptstadt Europas als Phänomen kultureller Hochstapelei entlarven werde.
Dort habe die Stadt eine „nach Raum, Lage, Umriss, Volumen und Material originale Rekonstruktion“ versprochen, die „den Vorwurf der Attrappe“ widerlegen werde und zur geplanten Nutzung angekündigt, sie werde „zusammen mit dem benachbarten Herzog-Anton-Ulrich-Museum“ der kulturelle Schwerpunkt der Stadt werden und damit ein sichtbares Zeichen dafür, dass die Stadt sich auch in Zeit leerer kommunaler Kassen ihrer „Verantwortung in Bezug auf Bildung und Kultur der kommenden Generationen bewusst ist“.

Selbst wenn sich im Rat eine solche Mehrheit finden sollte, müsste immerhin noch zwischen ECE und der Stadt ein Mietvertrag zustande gebracht werden. Eine Diskussion darüber, ob und ggfs. in welchem Umfang es verantwortet werden könnte, Haushaltsmittel für die Anmietung von Räumen neben und oberhalb der ECE-Verkaufsflächen aufzubringen, habe sowohl im Rat als auch in der Bürgerschaft noch nicht einmal begonnen.

Die Vernichtung des Schlossparks sei in mehrfacher Hinsicht so schwerwiegend, dass die Stadt und ECE als Vorhabenträger verpflichtet seien, klipp und klar offen zu legen, was, in welcher baulichen Qualität und mit welcher Nutzungsfunktion für die Abwägung das Gegengewicht bilden soll.
Rechtsanwalt Große Hündfeld beanspruchte nachdrücklich das Recht, für seine Mandanten weitere Einwendungen vorbringen zu können, wenn ein beurteilungsreifer, zwischen ECE und der Stadt Braunschweig abgestimmter Vorhabenplan eingesehen werden könne.
Der Rat müsse jetzt zunächst entscheiden, ob er bis zu einer erneuten Offenlegung das Projekt weiter verfolgen will und wenn ja, was er dann zu Jedermanns Einsicht in Braunschweig offen legen will.

Schon jetzt - warnte der Rechtsanwalt - zeichneten sich Fehleinschätzungen und Mängel in der Planbegründung ab, die das Zustandekommen eines rechtmäßigen Bebauungsplans ausschlössen.

Auf mehreren Seiten gab er dazu einen Ausblick auf weitere Probleme der Vorhabenplanung und einzelne Betroffenheiten. Er forderte den Rat auf, „in der städtebaulichen Entwicklungsplanung wieder zum städtischen Zentrenkonzept für den Einzelhandel von 2001 zurückzukehren“ und darin eine „Leitlinie für eine nachhaltige Innenstadtentwicklung zu sehen, die gegenüber Vorhabenplanungen verteidigt werden muss, die von auswärts nach Braunschweig gebracht werden.“ Rechtsanwalt Große Hündfeld hob hervor, das vom Rat beschlossene Einzelhandelskonzept sei im Dialog mit den Bürgern entstanden, über seine Zielsetzungen herrsche Konsens. „Das ECE-Projekt spalte dagegen die Bevölkerung.“

Er gab die Hoffnung seiner Mandanten wieder, dass sich die Ratsherren an die wegweisende Bedeutung des Einzelhandelskonzeptes erinnern werden, das der Rat erst am 6.2. 2001 beschlossen habe. Dann werde er seine Pflicht erkennen, das Vertrauen derjenigen zu schützen, die den aufgezeigten Weg beschritten und zielkonform investiert und Handelsflächen angemietet hätten. Der Rat darf sich nicht mit „Schlossversprechen“, von dem ohnehin immer mehr Abstriche gemacht werden, verleiten lassen in die Gegenrichtung zu gehen.

Die von den Initiativen als nicht vorhanden angemahnten Informationen müssten in gleicher Weise auch bei den Ratsmitgliedern fehlen und von diesen eingefordert werden.


Für das Bürgerbegehren Schlosspark / Braunschweig
Prof. Berthold Burkhardt        Nicole Palm            Knut Meyer-Degering

Für die Initiative Innenstadt
Joachim Wrensch            Klaus Bungenstock        Roger Klittich



http://www.schlosspark-braunschweig.de