Einer unzureichend unterrichteten Öffentlichkeit wird ein historischer Bär aufgebungen
Matthias Witte 16.12.2006
Wie der Teil des ECE-Centers hinter der Schlossfassade genannt wird, ist zweitrangig, wenn die Benennung beim Leser keine falsche Erwartungen weckt.
Also sollte man zunächst die Fakten nennen, nämlich:
Hinter der oft nur 20 cm dicken Nachbildung der Schlossfassade verbirgt sich ein Neubau, der mit dem Ottmer-Schloss so gut wie nichts gemeinsam hat. Weder die Raumabfolge noch die Geschossanzahl noch die Materialien des Vorgängerbaus sind übernommen. Zudem ist in den unteren zwei Stockwerken ein eigenständiger vom Rest des ECE-Centers absetzbarer Baukörper nicht auszumachen.
Der Portikus, der nun als Eingang für das Einkaufscenter dienen wird, war der hoch-herrschaftliche Zugang zum Schloss. Früher führte dahinter eine großartige Treppenanlage über die für das Schloss charakteristische Rotunde in das Schlossinnere. Im Neubau gibt es daran keinerlei Erinnerung. Ungefähr am Ort der früheren Rotunde finden sich nun Kaufhausrolltreppen.
Die nun diskutierte historische Inneneinrichtung kann aufgrund der völlig veränderten räumlichen Situation nichts als ein Potpourri historisierender Reminiszenzen sein. Wollte man das Schloss über die Schlossfassade hinaus rekonstruieren oder auch nur ein Ahnung davon vermitteln, mit welchen dramaturgischen Mitteln Ottmer dem Herrschaftsanspruch der Braunschweiger Herzöge im Inneren seines Schlosses Ausdruck verlieh, müsste man zunächst große Teile der Baumasse hinter der Schlossfassade abreissen.
Wer sicher gestellt hat, dass seine Zuhörer mit diesen Fakten vertraut sind, mag Teile des ECE-Centers gern ‚Schloss’ oder auch ‚Residenz-Schloss’ nennen. Ein eigenwilliges Voabular kann ja durchaus reizvoll sein. Böse wird es jedoch dann, wenn die Suggestivkraft dieser Begriffe dazu verwendet wird, einer unzureichend informierten Bevölkerung historische Bären aufzubinden.
http://www.schlosspark-braunschweig.de